Die Sixtinische Madonna von Raffael (1513-1514)

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Die Sixtinische Madonna (auch bekannt als Madonna di San Sisto) ist eines der wichtigsten und berühmtesten religiösen Gemälde des Hochrenaissance-Meisters Raffael. Es handelt sich um ein Ölgemälde auf Leinwand, mit den Maßen 265 x 196 cm. Das Gemälde wurde 1512 von Papst Julius II. für die Kirche San Sisto in Piacenza in Auftrag gegeben und zwischen 1513 und 1514 ausgeführt. Es zeigt die Madonna mit dem Christuskind, rechts und links davon die Heiligen Sixtus und Barbara.

Das Gemälde hat eine turbulente Geschichte hinter sich. Sie wurde im 18. Jahrhundert nach Deutschland gebracht, wo sie große Bekanntheit erlangte und einen großen kulturellen Einfluss ausübte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es vor den Bombenangriffen gerettet und ein Tunnel eingelagert. Sie wurde später von der Roten Armee nach Moskau gebracht. Das Gemälde kehrte in den 1950er Jahren nach Deutschland zurück, wo es seither in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden ausgestellt ist. 

 

Was ist auf der Sixtinischen Madonna von Raffael dargestellt?

Dieses außergewöhnliche Werk zeigt ein Figurentrio – die Jungfrau Maria in der Mitte in einem blauen Gewand, mit dem Heiligen Sixtus zu ihrer Linken und der Heiligen Barbara zu ihrer Rechten. Sie bilden eine dreieckige Komposition, mit der Madonna an der Spitze, die das Jesuskind hält. Der heilige Sixtus schaut zu ihr auf, seine rechte Hand zeigt nach oben. Auf der gegenüberliegenden Seite der Jungfrau blickt die Heilige Barbara nach unten. Unten stützen sich zwei geflügelte Putten mit den Ellbogen auf den Rahmen des Bildes und schauen abwesend auf die drei Figuren über ihnen. 

Die Figuren bewohnen einen imaginären Raum, in dem sie sich auf einem Wolkenbett befinden. Die Komposition wird von schweren grünen Vorhängen eingerahmt, die geöffnet wurden, um die himmlische Szene zu enthüllen, die durch das goldene Licht, das die Figur Marias umgibt, noch verstärkt wird. Im Hintergrund, hinter der Madonna und dem Vorhang, sind unzählige Engelsgesichter zu sehen. Ganz unten links ruht die päpstliche Tiara auf dem Rahmen des Gemäldes. 

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Analyse der Sixtinischen Madonna von Raffael

Da das Gemälde als Altarbild für die Basilika gedacht war, spielt sich die Szene oberhalb des Platzes ab, an dem die Kirchengemeinde sitzen würde. Wie in der Renaissance üblich, hat der Künstler die Zuschauer mit einbezogen, und die Figuren der beiden Heiligen interagieren suggestiv mit den realen Menschen (die unten in der Kirche sitzen). Die Jungfrau erscheint, als würde sie aus dem Himmel herabsteigen und symbolisch das Christuskind in die Welt bringen. Die Geste des heiligen Sixtus und der Blick der heiligen Barbara nach unten sind ebenfalls auf die Kirchenbesucher gerichtet.

Viele Jahre lang waren die Gelehrten über den düsteren, fast ängstlichen Gesichtsausdruck von Maria und ihrem Kind verwirrt. Neuere Forschungen haben mehr über den ursprünglichen Standort des Gemäldes herausgefunden, was einen gewissen Einblick in das Geheimnis gibt. Am anderen Ende der Kirche San Sisto, im Altarraum, stand ein Kruzifix, auf das Mutter und Kind direkt blicken. Das Kruzifix symbolisiert den Tod und das bevorstehende Leiden und die Folter von Jesus Christus. Der Ausdruck des Entsetzens und des Schreckens auf ihren Gesichtern ist also eine Reaktion auf die Vorahnung des Schicksals des Kindes.

Was ist die Bedeutung der Sixtinischen Madonna von Raffael?

Der Auftrag für das Gemälde sah vor, dass es die Heiligen Sixtus und Barbara darstellen sollte, da die beiden Heiligen am Hochaltar in San Sisto verehrt wurden. Der heilige Sixtus war ein Märtyrer aus dem 3. Jahrhundert, ebenso wie die heilige Barbara. Hinter ihr sehen wir den Turm, in dem sie von ihrem Vater eingesperrt wurde, als sie zum Christentum konvertierte. 

 

Die beiden Engel mit Flügeln am unteren Rand des Bildes sind als Putten bekannt. Sie werden in der Regel als pummelige männliche Kinder dargestellt, meist nackt und manchmal mit Flügeln, weshalb sie oft mit Engeln verwechselt werden. Der Ursprung der Putten liegt jedoch in der vorchristlichen Antike, wo sie ein häufiges Motiv auf Sarkophagen und Vasen waren. In der Regel wurden sie kämpfend, tanzend, Sport treibend oder Instrumente spielend dargestellt. Sie wurden in der Renaissance wiederbelebt, vor allem dank Donatello, als ihre heidnischen Ursprünge mit christlichen Elementen verschmolzen und sie in neue Zusammenhänge gestellt wurden, wie z. B. die musizierenden Engel.

Die Berühmten Putten

Die beiden geflügelten Putten am unteren Bildrand sind für sich genommen berühmt geworden. Seitdem das Gemälde im 18. Jahrhundert nach Dresden kam, werden seine Figuren, die vom Rest des Bildes isoliert sind, stark vermarktet und reproduziert. Seit mehr als 200 Jahren erscheinen sie auf Illustrationen, Grußkarten, Postkarten, Geschenkpapier, Souvenirs, T-Shirts, Socken, Notizbuchumschlägen und vielem mehr. In der Tat sind sie wahrscheinlich eines der berühmtesten Details eines Gemäldes in der westlichen Welt, gleichrangig mit dem Ruhm der Mona Lisa (obwohl sie legendären Status erreicht haben, lange bevor die Mona Lisa die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit im 20.)

Im Laufe der Jahrhunderte haben die beiden Putten unzählige Legenden inspiriert. Einer Geschichte zufolge waren es Kinder, die Raphael beim Malen zuschauen wollten. Der italienische Künstler war von ihrer Haltung und ihren starren Blicken beeindruckt und fügte sie genau so in das Gemälde ein, wie er sie in seinem Atelier gesehen hatte. Eine andere Geschichte erzählt, dass er von zwei Kindern inspiriert wurde, die er auf der Straße sah und die sehnsüchtig durch das Fenster einer Bäckerei schauten.

Putten sind im Wesentlichen dekorativ und schmückend und kommen sowohl in weltlichen als auch in religiösen Werken vor. Sie stellen eine merkwürdige Verbindung zum Betrachter her, denn sie nehmen nie an den Ereignissen oder der Erzählung teil, die in einem Gemälde dargestellt sind. In der Sixtinischen Madonna, wie auch anderswo, ähneln sie dem realen Akt des Betrachters, der das Geschehen in einem Gemälde betrachtet, ohne daran teilzunehmen.

Als Modell für die Madonna wird Margherita Luti, die Tochter eines römischen Bäckers, vermutet. Sie war Raffaels Geliebte und stand ihm für viele Gemälde Modell.

Warum ist die Sixtinische Madonna von Raffael so wichtig?

Raffael hat die Madonna im Laufe seiner Karriere unzählige Male gemalt. Die Sixtinische Madonna ist sein letztes Gemälde zu diesem Thema und zugleich eines seiner berühmtesten Werke.

Ein Ideal der Hochrenaissance

Das Gemälde ist ein Beispiel für viele charakteristische Merkmale der Hochrenaissance-Malerei. Der wirbelnde grüne Vorhang umrahmt die Komposition und trägt dazu bei, den Blick des Betrachters auf die Szene zu lenken. In den Gemälden der Renaissance spiegelt sich in dieser Rahmung die Vorstellung wider, dass ein Gemälde das Fenster zu einer idealen Welt öffnet. Deshalb ist es das Ziel, den visuellen Raum so real und dreidimensional wie möglich zu gestalten.

Die Figuren bilden locker ein Dreieck, eine wichtige Technik, die die Perspektive und Tiefe eines Gemäldes verstärkt. In diesem Fall ist die Madonna tiefer im Bildraum positioniert als die beiden Heiligen. Die geflügelten Putten am unteren Bildrand haben ihre Arme auf den Rahmen des Gemäldes gelegt, so als ob sie aus dem Bild in die reale Welt treten würden. Auf diese Weise lässt das Bild die Grenzen zwischen der imaginären und der realen Welt verschwimmen.

In der Renaissance hat das Dreieck nicht nur eine kompositorische, sondern auch eine symbolische Funktion, da es eine geistige Hierarchie darstellt. 

Die Komposition der Figuren ist außergewöhnlich ausgewogen und gut platziert. Jeder der Körper nimmt seinen eigenen Raum ein, während sie gleichzeitig durch das Zusammenspiel ihrer Gesten und Posen eine harmonische bildliche Beziehung bilden. Harmonie in der Komposition der Figuren und eine reiche, ausgewogene Farbpalette sind zwei wesentliche Gestaltungsmerkmale, die Raffael und die Hochrenaissance vorleben. 

Geschichte der Sixtinischen Madonna von Raffael

Das Gemälde wurde von Papst Julius II. zu Ehren seines verstorbenen Onkels Papst Sixtus IV. in Auftrag gegeben. Es war als Altarbild für die Kirche des Benediktinerklosters San Sisto in Piacenza gedacht. Fast 250 Jahre lang blieb das Gemälde an seinem ursprünglichen Standort.

Legendenstatus in Deutschland

Im Jahr 1754 wurde es von König August III., Kurfürst von Sachsen und König von Polen, gekauft, der ein Werk Raffaels in seiner Sammlung haben wollte. Das Kloster befand sich damals in großen finanziellen Schwierigkeiten und erklärte sich bereit, das Gemälde für eine hohe Summe zu verkaufen – damals und für viele Jahrzehnte danach war dies der höchste Preis, der für ein Gemälde gezahlt wurde.

Nach seiner Ankunft in Dresden erlangte das Gemälde fast sofort neue Bekanntheit. Die Sixtinische Madonna wurde als überragendes Beispiel für die Kunst der Hochrenaissance gepriesen, und man schrieb ihr sogar göttliche Elemente zu. Auf der einen Seite entstand der Mythos des so genannten Raphael’s Dream. Der Legende nach erhielt Raffael eine himmlische Vision, die es ihm ermöglichte, die Madonna so göttlich zu malen, wie er es tat. Andererseits begannen Geschichten über die übernatürlichen Kräfte des Gemäldes zu kursieren. Offenbar wurden viele Betrachter beim Anblick des Bildes in einen Zustand religiöser Ekstase versetzt. Diese fast wundersame Kraft des Gemäldes machte es zu einer Ikone der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus war das Gemälde ein beliebtes Motiv in Zeitschriften, Stickbildern, Anzeigen, Karikaturen und Sammelalben des Bürgertums im Biedermeier im Deutschen Reich. Es erlangte den Status eines Kultobjekts, Reisende kamen aus ganz Europa, um das Meisterwerk zu sehen und Reproduktionen zu erwerben. Das Gemälde beeinflusste auch viele kulturelle Ikonen, wie die berühmten Schriftsteller Goethe, Nietzsche, Wagner und Dostojewski. Letzterer bezeichnete das Gemälde als „die größte Offenbarung des menschlichen Geistes“.

In sowjetischer Hand

Während der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde gerettet und in einem Tunnel in der Sächsischen Schweiz, südöstlich von Dresden, gelagert. Gegen Ende des Krieges wurde es von der Roten Armee beschlagnahmt und in das Puschkin-Museum in Moskau gebracht. Im Jahr 1955 beschloss die Sowjetunion, das Gemälde an Deutschland zurückzugeben. Die Rückgabe des Gemäldes löste eine internationale Kontroverse aus, da Gerüchte kursierten, das Gemälde sei in der sowjetischen Lagerung beschädigt worden. Die Anschuldigungen wurden von sowjetischen Kunsthistorikern und Museumsmitarbeitern vehement zurückgewiesen. Während der Ausstellung zum 500-jährigen Jubiläum des Gemäldes im Jahr 2012 erklärten die Kuratoren in Dresden, dass sie nicht glauben, dass das Gemälde beschädigt wurde.

Heute zu sehen

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde das Gemälde restauriert und in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden ausgestellt. Heute hat die göttliche Madonna ihren legendären Status bewahrt und gilt als einer der Höhepunkte nicht nur der Kunstsammlung in Dresden, sondern in ganz Deutschland. 

Wo man Drucke der Sixtinischen Madonna von Raffael kaufen kann

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Verwandte Kunstwerke von Raphael

  • Garvagh-Madonna (auch bekannt als Aldobrandini-Madonna) von Raffael. 1509-1510, Öl auf Holzplatte. National Gallery, London.
  • La belle jardinière (auch bekannt als Madonna mit Kind und Johannes dem Täufer) von Raffael und Ghiarlandaio. 1508-1508, Öl auf Tafel. Louvre, Paris.
  • Ansidei Madonna von Raphael. 1505-1507, Öl auf Pappelholz. National Gallery, London.
  • Madonna mit dem blauen Diadem von Raffael. 1510-1518, Öl auf Holz. Louvre, Paris.
  • Alba-Madonna von Raphael. 1511, Öl von Holz auf Leinwand übertragen. National Gallery of Art, Washington D.C.
  • Madonna della Seggiola von Raffael. 1513-1514, Öl auf Tafel. Palazzo Pitti, Florenz.
  • Madonna dell’Impannata von Raffael und seiner Werkstatt. 1513-1514. Palazzo Pitti, Florenz.
  • Madonna della Tenda von Raffael. 1513-1514, Öl auf Tafel. Alte Pinakothek, München.
  • Madonna der Rose von Raffael. 1518-1520, Öl auf Leinwand. Museo del Prado, Madrid.
  • Madonna del Prato von Raffael. 1506, Öl auf Karton. Kunsthistorisches Museum, Wien.
  • Terranuova-Madonna von Raffael. 1504-1505, Öl auf Holz. Staatliche Museen Berlin.

Andere Kunstwerke der Madonna

  • Madonna von Brügge von Michelangelo
  • Himmelfahrt der Jungfrau Maria von Tizian
  • Madonna auf der Treppe von Michelangelo
  • Madonna mit den Harpyien von Andrea del Sarto